Herbstakademie 2018

2018 hieß es zur 10. Feministische Herbstakademie für Frauen „Unverschämt bescheiden – Die großen Aneigunug

Das Protokoll zur FemHak 2018 gibt es hier:  doku_femhak2018
Eröffnungsvortrag von Frigga Haug „Die große Aneignung

An der Feministischen Herbstakademie 2018 hatten wir folgende Workshops:

  • Um Arbeit feministisch kämpfen
  • Notwendige und Mehrarbeit
  • Lesend produzieren wir
  • Erzählen lernen
  • „Gegen den Strich bürsten.“ Widerständige Aneignung von Kunst mit Peter Weiss?
  • Theorien lesen – mit Vernunft und Leidenschaft
  • Frauenstreik als verbindende Praxis

Um Arbeit feministisch kämpfen
mit Heidi Scharf und Christine Reinicke

Anhand historischer und aktueller Arbeitskämpfe und wichtiger Fragen des Arbeitslebens wollen wir herausarbeiten, was dabei feministische Aneignung war und ist und wo wir heute stehen.

Vor 50 Jahren, im Jahre 1968, streikten Frauen in einem Londoner Vorort für einen besseren Lohn, mit der Perspektive: gleicher Lohn für gleiche Arbeit. 50 Jahre nach diesem Ereignis sehen wir uns vormittags gemeinsam einen Spielfilm an, der von den Ereignissen erzählt, und nehmen Fortschritte und Rückschritte in der Frage der Emanzipation kritisch unter die Lupe.

Am Nachmittag vertiefen wir Themen wie Lohnfragen, Geschlechtergerechtigkeit und Chancengleichheit in den Betrieben und Verwaltungen, Arbeitszeitfragen, Wertigkeit von Arbeit usw.. Dabei arbeiten wir auch und nicht zuletzt mit unseren eigenen Erfahrungen.
Es geht um das Was und auch das Wie kollektiver Aneignung.


Frauenstreik als verbindende Praxis
mit Kerstin Wolter und Alex Wischnewski

Ganz aktuell wird in verschiedenen Orten für einen feministischen Streik am 8. März 2019 Organisierungs- und Vernetzungsarbeit geleistet. Dieser soll nicht auf die Lohnarbeit beschränkt sein, sondern sich auf alle Tätigkeiten von Frauen beziehen – viele von ihnen meist noch unsichtbar. Dafür müssen jedoch erst neue Formen gefunden werden, die unseren Lebensrealitäten entsprechen.

Am Vormittag wollen wir gemeinsam mit dem Workshop „Um Arbeit feministisch kämpfen“ einen Film über einen Frauenstreik auf betrieblicher Ebene im Jahr 1968 anschauen und diskutieren.

Am Nachmittag soll es um die Ausweitung und feministische Aneignung der Streikform gehen, mit besonderem Blick auf die unentlohnte Sorgearbeit. Nach einer kurzen Einführung in die Debatten um einen feministischen Streik 2019 werden wir bestehende Vorschläge anschauen und gemeinsam weiterspinnen.


Lesend produzieren wir
mit Jenny Funke-Kaiser, Katharina Schwabedissen und Melanie Stitz

Auch als Lesende sind wir stets „Töchter unserer Zeit“: Unsere Leseweisen sind eingelassen in die Verhältnisse und unsere eigene Geschichte. Literatur ist eine Kunstform, in der gesellschaftliche Verhältnisse in sehr verdichteter Form ausgedrückt sind – sie kann von uns also als Schlüssel zur Veränderung genutzt werden, oder eben nicht. Lesen ist also ein produktives Unterfangen, ein Handwerk und mehr noch eine Kunst für sich. In dieser wollen wir uns gemeinsam üben.


Erzählen lernen
mit Frigga Haug

Wir wollen uns darin üben, eine spannende, interessierte, bewegende Weise des Erzählens zu entwickeln, auch wenn keineswegs alle Erzählerinnen, also Dichterinnen werden sollen oder müssen – hier geht es um eine sinnliche, lustvolle, weltverändernde Praxis im Alltag.


„Gegen den Strich bürsten.“ Widerständige Aneignung von Kunst mit Peter Weiss?
mit Anna Conrads, Pamela Strutz

Leerstellen im kollektiven Gedächtnis aufsuchen und füllen– mit Anleihen bei Peter Weiss

Kommen Frauen in Geschichte, Kunst, Kultur – kurz im kollektiven Gedächtnis einfach nicht vor? Oder lassen sie sich doch aufzuspüren und sichtbar zu machen? Und wie können wir selbst zur einer Geschichtsschreibung und Kunstrezeption beitragen, in der wir als Handelnde sichtbar werden? Reicht es, unsere Geschichten nur irgendwie aufzuschreiben?

Diesen Fragen wollen wir uns nähern mit Hilfe von Peter Weiss.
In seinem Roman „Ästhetik des Widerstands“ (ÄdW) eignen sich die Protagonisten Kunstwerke an, indem sie gezielt nach denen suchen, die durch die Brille des bürgerlichen Kunstverständnisses auf den ersten Blick oft nicht sichtbar sind: ArbeiterInnen, Beherrschte.

Zu diesem Zweck interpretiert das erzählte Ich spezifische Kunstwerke, betrachtet die Produktionsbedingungen und Arbeitsweisen und setzt sich mit biographischen oder autobiographischen Aufzeichnungen Kunstschaffender auseinander, um zur eigenen schriftstellerischen Tätigkeit zu gelangen. Auf diese Weise gab Peter Weiss der Arbeiterbewegung eine Geschichtsschreibung – auch die Frauenbewegung braucht eine solche.

Wir wollen uns in dem Workshop anhand einiger ausgewählter Kunstwerke und Passagen aus der „Ästhetik des Widerstands“ aneignen, wie Peter Weiss vorgeht und was davon hilfreich für uns sein kann. Das wollen wir gemeinsam diskutieren und üben.

Zur Vorbereitung auf den Workshop empfiehlt  es sich, den Ausschnitt zum Pergamon Altar aus der „Ästhetik des Widerstands“ zu lesen: http://info.libertad.de/fr/blogs/7/651


Theorien lesen – mit Vernunft und Leidenschaft
mit  Ines Schwerdtner und Daphne Weber

Manch ein Theorietext wird zum Publikumserfolg und von der herrschenden Kultur gefeiert und eingemeindet. Wie kommt ein solches Phänomen zustande?
Gemeinsam wollen wir uns einen Theorie-Text aneignen, der gerade ganz besonders angesagt ist.
Unsere eigenen Leserfahrungen werden dabei zum Material, mit dem wir arbeiten: unsere Beisterung und Faszination ebenso wie Unmut oder Langeweile.
Wir fragen nach unseren eigenen Sehnsüchten und Hoffnungen, die unsere Leseweisen prägen, und auch danach, auf welchem gesellschaftlichen Boden manche Texte einschlagen wie ein Blitz. Was lernen wir daraus über die gegenwärtigen Verhältnisse, in anderen Worten: über die gesellschaftliche „Auftreffstruktur“? Jeder Text ist eine „Kampfschrift“ – auf welche Weise greift er ein in aktuelle Diskussionen? Wogegen schreibt die Autorin an, wofür setzt sie sich ein? So üben wir uns in der Kunst des Rezensierens: Wie können wir die nötige Distanz gewinnen und einen klaren Blick auf Leerstellen und Widersprüche? Wie formulieren wir Kritik und werfen neue Fragen auf?


Notwendige und Mehrarbeit
mit Jutta Meyer-Siebert und Katharina Volk

Dieser Workshop will gleichzeitig mit Marx arbeiten und feministische Marxkritik – den unabgegoltenen Streit um die Umsonstarbeit der Frauen aus den 1970er Jahren – etwas anders fokussieren, als sie im Streit um die Hausarbeit begonnen worden ist.
Als notwendige Arbeit bezeichnet Marx den Teil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit, der dafür nötig ist, dass sich die Arbeitenden stets wiederhergestellt am Arbeitsplatz einfinden – fit, gebildet, gesund mit Nachwuchs zuhause. Kapitalistisch orientierte Kampfkraft und Erfindungsgeist arbeiten daran, den Teil möglichst klein zu halten, notwendige Arbeit einzusparen, damit mehr Profit gemacht werden kann. Dies wurde Motor des technologischen Fortschritts und Teil von Frauenemanzipation. Feministische Kritik arbeitete mehr als ein Jahrzehnt daran, die umsonst geleistete Frauenarbeit als verborgenen Teil der Lohnarbeit zu zeigen, und forderte u.a. Lohn für Hausarbeit.

In diesem Workshop wollen wir gewissermaßen umgekehrt vorgehen: Wir diskutieren gemeinsam, was wir für ein gutes Leben brauchen (gesellschaftsweit), um eine Politik zu gewinnen, die kapitalismuskritisch um Zeitverfügung und Ressourcenverbrauch kämpft und damit zugleich Maßstäbe für eine Politik um die heute gesellschaftlich notwendige Arbeit setzt, die die Zwangsjacke von Wachstum und Profit konkret aus den Nähten bringen.

Dafür brauchen wir viel Fantasie, feministische Erfahrung aus dem Alltag und aus langen Kämpfen und wie immer marxistisches Grundwissen.

Arbeitsweise: Am Vormittag eignen wir uns mit dem Lesen kleiner Theoriestücke zum einen an, wie Marx das Verhältnis notwendige Arbeit/Mehrarbeit fasst;  zum anderen, wie Frigga Haug aus der konstruktiven Kritik von Marx ihren Vorschlag begründet, die Bestimmung von notwendiger Arbeit als politisches Projekt zu gestalten, in dem ein gutes Leben alle im Visier ist – wie oben umrissen.

Im Nachmittagsteil des Workshops soll es dann mit dem „neuen“ Wissen, mit Fantasie und unseren Erfahrungen aus dem Alltag wie aus unserem politischen Leben konkret um die mögliche Gestaltung eines solchen Projektes gehen. Neue Teilnehmerinnen können