Herbstakademie 2015

Im Jahr 2015 lief die feministische Herbstakademie zum Thema „widerständig unterwegs“.

Hier geht`s zum Protokoll

Folgende Workshops beschäftigten uns:

  •  Ich war widerständig!? – Erinnerungsarbeit I und II
  • Dialektik weiblichen Widerstands I und II
  • Arbeiten mit Peter Weiss I und II
  • Rossana Rossanda
  • Mentoring
  •  „Mehr von uns ist besser für alle!“ – Auf dem Weg zur Care Revolution?

„Ich war widerständig!?“
Widerstandserfahrungen unter der Lupe mit kollektiver Erinnerungsarbeit
Mit Jutta Meyer-Siebert und Ulrike Zerhau

Wie wollen wir vorgehen?
Wir schreiben alle kurz eine Erinnerung an ein Ereignis auf, in dem wir uns widerständig zeigten gegen Zumutungen in unserer Lebenspraxis, die uns als Einschränkung unserer Handlungsmöglichkeiten erschienen. Mit der Methode der kollektiven Erinnerungsarbeit (Frigga Haug), in die kurz einfgeführt werden soll, untersuchen wir unsere Texte in festgelegten Schritten: Wie wir uns als Widerständige entwerfen, ob wir Handlungsmöglichkeiten erweiterten oder uns anpassten, selbst im Widerstand.

Wir erwarten spannende, vielleicht überraschende Ergebnisse und werden fragen, was wir daraus für widerständige Praxis lernen, die nicht im Bestehenden stecken bleibt, sondern Möglichkeiten für ein anderes Leben aufscheinen lässt?

Eine ausführliche Beschreibung der Methode der Erinnerungsarbeit findet Ihr hier


Dialektik weiblichen Widerstands
mit Frigga Haug, Melanie Stitz, Eva Vogt

Arbeit an Texten aus dem gleichnamigen Argument-Heft  259/2005. Wir wollen methodisch innovativ und kontrovers auch mit uns selbst arbeiten. Am Beispiel der Kurzgeschichte „Die gelbe Tapete“ von Charlotte Perkins Gilman lesen und diskutieren wir am Vormittag eine inhaltsanalytische Bearbeitung, am Nachmittag eine materialanalytische. Frigga gibt eine kurze Einführung in die Materialanalyse als Methode. Die beiden Werkstätten sollen unterhaltsam sein und zugleich unser methodisches Werkzeug unter Beteiligung aller schärfen. Die Lektüre der Geschichte ist Voraussetzung.

  • „Die gelbe Tapete“ von Charlotte Perkins Gilman (zum Download)
  • Hanna Behrend: „Ich bin schließlich doch herausgekommen. Ihr könnt mich nicht daran hindern.“ Zweifacher Widerstand in der Erzählung. aus Das Argument 259/2005
  • „Die gelbe Tapete“ sowie Frigga Haug: Ohne Vernunft kann man nichts machen. Materialanalyse zur „Gelben Tapete“, beide aus „Das Argument  259/2005“
    Zum Download

Auf der Suche nach „einem Bild [des Widerstands], das uns selbst enthält“: Zur Aktualität der „Ästhetik des Widerstands“ von Peter Weiss

Der Titel der diesjährigen Feministischen Herbstakademie „widerständig unterwegs“ besagt nicht nur, dass wir in vielfältigen Weisen immer schon widerständig tätig sind. Sondern mit dem Ausdruck „unterwegs“ ist darüber hinaus angezeigt, dass wir uns in unseren Widerständen stets in einem Prozess – und stets auf der Suche befinden: Auf der Suche nach unseren individuellen Geschichten feministischen Widerstands, auf der Suche nach einer Geschichte feministischen Widerstands und auf der Suche nach gegenwärtigen Möglichkeiten widerständigen Eingreifens. Damit sind wir auch auf der Suche nach Formen und Konzeptionen von Widerstand, die diesen Geschichten, unserer Geschichte und den aktuellen politisch-alltäglichen Herausforderungen angemessen sind.

Was läge da näher, als sich mit einem Roman auseinanderzusetzen, der diese Suche als Aneignung einer Geschichte und Konzeption von Widerstand jenseits der „offiziellen“, herrschaftsperspektivischen Geschichtsschreibung selbst darstellt? In unserem Workshop zu Peter Weiss‘ 1972-1980 entstandener „Ästhetik des Widerstands“ wollen wir anhand einer gemeinsamen interpretierenden Annäherung an die Eingangssequenz des Romans den verschiedenen Momenten dieser Suche folgen. Wir werden anhand dieser Szene nachvollziehen, wie die drei Protagonisten des Romans in ihrer dialogischen Neu-Aneignung des Pergamon-Altars nicht nur dessen übliche Deutungen, sondern auch ein traditionelles Verständnis von Widerstand „gegen-den-Strich-bürsten“. Nach einer Rekonstruktion des hier dargelegten Verständnisses von Widerstand wollen wir dieses darauf hin befragen, welche Anschlussstellen sich für eigene widerständige Erfahrungen und feministischen Widerstand ergeben.

Die Frage nach den Anknüpfungsmöglichkeiten des Romans für feministische Widerstände wird der am Nachmittag folgende Workshop aufgreifen und anhand der Frauenfiguren des Romans – aber auch anhand seiner Leerstellen bezüglich einer Darstellung feministischen Widerstands – weiterführen.
Beide Workshops zur „Ästhetik des Widerstands“ sind so konzipiert, dass sie in Folge, aber auch einzeln besucht werden können und selbstverständlich auch für Teilnehmerinnen ohne Vorkenntnisse geeignet sind. Diejenigen, die Lust und Zeit haben, können gerne in die ersten 50 Seiten des Romans hineinlesen (auch wenn dies sicherlich hilfreich sein mag, ist es aber nicht zwingend erforderlich). Wir stellen diese den sich anmeldenden Teilnehmerinnen als PDF-Datei zur Verfügung.


Feministisches Eingreifen mit Rossana Rossanda
Mit Kerstin Wolter und Nina Eumann

„Und die Frauen? Man sollte annehmen, das sie – nicht frei, weil politisch rechtlos, nicht gleich, weil atomisiert in der Vertikalität der patriarchalen Familie – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit einen anderen Wert beimessen als die Männer, die zwar ebenfalls nicht frei, nicht gleich und nicht brüderlich gewesen sind, aber stets ein bisschen mehr als ihre Gefährtinnen.“

Dieses Zitat wurde geschrieben von Rossana Rossanda. Einer Frau, die sich nie selbst als Feministin bezeichnet hat, sich jedoch mit den Feministinnen, nicht nur in ihrer eigenen Partei, der Kommunistischen Partei Italiens, sondern auch in der Bewegung und den Gewerkschaften, über die Jahre intensiv auseinandergesetzt hat. Ihr Buch „Einmischung“ fasst diese Auseinandersetzung in eindrucksvoller Weise zusammen. In Gesprächen mit Frauen aus Partei, Gewerkschaften und Bewegung setzt sie sich mit den großen gesellschaftlichen Themen auseinander. Angefangen mit „Freiheit“, „Gleichheit“ und „Brüderlichkeit“ geht es weiter mit „Staat“, „Partei“, „Feminismus“ und vielen weiteren. Ziel dieser Gespräche war es, herauszufinden, was denn eigentlich der spezifische Blick einer Frau auf die Gesellschaft ist.

Gemeinsam wollen wir mit euch Auszüge aus dem Buch* von Rossana Rossanda lesen und diskutieren. Das Buch muss nicht vorher gelesen werden. Wir werden die entsprechenden Auszüge als Kopien zur Verfügung stellen.

Im Anschluss möchten wir mit euch in ähnlicher Weise einen Blick aus der Perspektive von uns Frauen, so unterschiedlich wir auch sein mögen, auf ein heute aktuelles Thema werfen. Die Diskussion möchten wir aufzeichnen und anschließend auswerten, um sie am letzten Tag allen Teilnehmerinnen vorzustellen. Dieser Workshop ist ebenso Teil einer Erinnerungsarbeit. Einer Erinnerungsarbeit aus feministischer Sicht.

*Für alle, die sich das Buch trotzdem vorher kaufen möchte, kleiner Tipp: man findet es gebraucht sehr günstig in online-Antiquariaten.


 „Mehr von uns ist besser für alle!“ – Auf dem Weg zur Care Revolution?
mit Annegret Gabelin und Cornelia Swillus-Knöchel

Wir untersuchen am Beispiel des Charité-Streiks für mehr Personal in Krankenhäusern unter dem Motto „Mehr von uns ist besser für alle“, wie es gelingen kann, den kollektiven Widerstand der Beschäftigten mit den Interessen der Bevölkerung – wir alle sind auch mal Patientinnen – zu verknüpfen. Wo sind Keime einer neuen Widerstandskultur und welchen Widersprüchen haben sich Beschäftigte im Care-Bereich und ihre Unterstützerinnen zu stellen? Wo sind Ansatzpunkte für eine Strategie des sozialen Wandels als Ausgangspunkt tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen?
Wir nutzen dazu Texte aus „Care Revolution“ von Gabriele Winker sowie dem Argument Heft 292 zu Care- eine feministische Kritik der politischen Ökonomie, genaue Textempfehlungen folgen in Kürze.

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