Demokratie: feministisch und für alle! Verteidigen, was es noch nicht gibt

„Zu sagen, was ist, bleibt die revolutionärste Tat“, schrieb einst Rosa Luxemburg. Das braucht Mut und fällt manchmal schwer. Dieser Tage ist „Haltung“ gefragt und der Raum für Debatten eng gesteckt und vermint. Von der „richtigen Meinung“ gibt es nur eine. Wer nach Kontexten fragt, macht sich übler Gesinnung verdächtig. Sogar Freund*innenschaften zerbrechen an politischen Differenzen.

Macht Angst konfliktscheu? Jedenfalls scheint (Un-)Sicherheit das Thema der Stunde zu sein: Aus Sicherheitsgründen sollen „wir“ endlich kriegstüchtig werden – nicht nur die angeblich ach so marode Armee, auch unser Gesundheitssystem soll wehrhafter sein, und schon in der Schule soll künftig der Ernstfall geprobt werden. Kriege, Katastrophen und Krisen, soweit das Auge reicht, und kein rettendes Wunder in Sicht. Die Rechte gewinnt und „die Mitte“ steht ihr an Verrohung kaum etwas nach. Brandmauern fallen und Migrant*innen und ihre Nachkommen fragen sich, wohin sie Deutschland womöglich verlassen. Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Streikrecht werden (zumindest noch) vor Gerichten immer wieder aufs Neue erstritten. Und für die sozialen Garantien des Lebens gibt es angeblich kein Geld. Das Leben selbst ist prekär und im Feld des Mangels ist jede sich selbst die nächste.

Immer häufiger erleben wir uns als sprachlos, in der Defensive oder „auf verlorenem Posten“ – zum Beispiel dort, wo uns Ressentiments begegnen und unser Widerspruch dringend gebraucht wird, um zu verteidigen, was unseres Erachtens noch lange nicht eingelöst ist: Demokratie. Nicht mehr und nicht weniger: eine lebendige und gelebte fürsorgliche, feministische Demokratie. Ein Gemeinwesen, in der die freie Entwicklung der Einzelnen Voraussetzung für die freie Entwicklung aller ist. Weil alle menschlichen Belange so verfasst und zusammengefügt sind, „dass soziale, ökologische, kulturelle menschliche Entwicklung Perspektive ist und nicht unwahrscheinliches Beiprodukt“, wie Frigga Haug über die 4-in-Einem-Perspektive schreibt.

Gemeinsam wollen wir fragen:

  • Inwiefern werden „begreifendes Erkennen“ und Konfliktfähigkeit in den herrschenden Verhältnissen auf vielfältige Weise behindert? Woher kommen rechte Gefühle und Ressentiments? Inwiefern hält uns die „Alltagspsychologie“ als Vereinzelte (und vor allem als Frauen?) in den Verhältnissen fest? Was lernen wir darüber aus der Kritischen Psychologie?
  • Was verstehen wir unter einem feministischen Antifaschismus? Und was unter fürsorglicher Demokratie? Woran knüpfen wir an, worauf bauen wir auf, welche Stärken und Fähigkeiten bringen wir ein? Und was müssen wir verlernen und unterlassen?
  • Wie machen wir die Welt zu einem sicheren und auch morgen noch bewohnbaren Ort? Wie stehen wir einander weiterhin und mehr noch in Unsicherheit bei?

Marxistin-Feministin Sein. Ein im Gehen zu erkundender Weg

Feministische Herbstakademie für Frauen

Feminismus ist ein umkämpfter Begriff – nicht erst, seit im Namen einer »feministischen Außenpolitik« Militärbudgets erhöht und Kriege als Kämpfe um Frauenrechte gerechtfertigt werden. Doch dass es in aktuellen politischen Auseinandersetzungen (wieder) möglich ist, so mit dem Begriff umzugehen, zeigt seine Unschärfen besonders deutlich. Mit diesen Unschärfen hadern offenbar auch viele, die versuchen, aus Diskriminierungserfahrungen emanzipatorische, linke Politik zu entwickeln. Sich also gar nicht mehr als feministisch zu bezeichnen oder den Begriff immer weiter auszudifferenzieren, dient auch zur Abgrenzung von einem »Feminismus«, der droht, zu Forderungen nach Gleichstellung in Aufsichtsräten, Quotierung in Dax-Vorständen und ähnlichen Verteilungsfragen unter Privilegierten zu verkommen.

In diesem Spannungsfeld bewegt sich unsere Herbstakademie seit mittlerweile 13 Jahren als Ort, an dem wir gemeinsam Möglichkeiten und Hindernissen für feministische Kämpfe ums gesellschaftliche Ganze ausloten können. Dabei inspirieren uns Bewegungen für Sorgende Städte und Arbeitskämpfe im Gesundheitswesen, Frauenstreik-Bündnisse oder auch lateinamerikanische Aktivistist:innen, die feministische Kritik am globalen Schuldensystem üben. Wir wollen den Feminismus auch weiterhin nicht aufgeben – bei aller Kritik, die wir an zahlreichen seiner realpolitischen Erscheinungsformen haben.

Deshalb nutzen wir die diesjährige Herbstakademie zu einer Standortbestimmung: Worum geht es uns, wenn wir von Feminismus sprechen? Welche konkreten gesellschaftlichen Veränderungen wollen wir als marxistische, linke Feministinnen erkämpfen? Auf welche theoretischen Grundlagen können wir uns dabei beziehen? Dabei interessiert uns besonders, welche Folgen eine derartige Verortung auch für uns selbst in unseren sozialen Bezügen hat. Was bedeutet es beispielsweise, wenn ich mich als Gewerkschafterin auf Frigga Haugs Satz »Geschlechterverhältnisse sind Produktionsverhältnisse« beziehe? Welche Grenzen überschreite ich in Frauenzusammenhängen, wenn ich Feminismus mit einer dezidiert sozialistischen gesellschaftlichen Perspektive verknüpfe?

Wir wollen uns also auf verschiedenen Ebenen darüber austauschen, was heute einen Feminismus ausmacht, der eine bessere Welt für alle erkämpfen will. Es wird um Türen gehen, die sich geöffnete haben, Schwellen, die zu überschreiten sind, um Selbstveränderung und Veränderung der Umstände, um tröstliche Theorie und revolutionäre Realpolitik.

Wir freuen uns auf ein Kennenlernen und Wiedersehen!

An allem zweifeln und sagen was ist

„Gelobt sei der Zweifel!“ ruft Brecht und rät uns, den Zweifel zu begrüßen. Denn neue Erfahrungen bringen auch mühsam erkämpfte Lehrsätze in Verdacht. Er schimpft auf die „Unbedenklichen, die niemals zweifeln“, genauso wie auf die „Bedenklichen, die niemals handeln.“

Wir schreiben die Einladung zur Feministischen Herbstakademie in einer Zeit, in der fragende Zweifel und Ohnmacht bestimmend sind. Jede erlebt täglich in ihrem privaten, beruflichen und politischen Alltag die vielgestaltigen Krisen und das Versagen der herrschenden Verhältnisse. Gleichzeitig wird unsere marxistisch-feministische Utopie, das Leben in den Mittelpunkt zu stellen, von Krieg und Kapital so offensichtlich verhöhnt wie lange nicht mehr. Erschöpft vom neoliberalen Hamsterrad und Hurrageschrei fragen wir uns: Wie handlungsfähig werden angesichts von Krieg, drohender Eskalation und Klimakatastrophe?

Schon werden wir aufgerufen, für den Krieg zu frieren, auf Lohnkämpfe zu verzichten, privat die Für-Sorge zu übernehmen, die sich die Gesellschaft als Ganzes sparen will.

Aus der Geschichte und deren marxistischen wie feministischen Analysen haben wir gelernt, dass so neue Abwertungen, Spaltungen, Marginalisierungen und Retraditionalisierungen von Geschlechterrollen entstehen. Wie können wir das verhindern und stattdessen das Leben in den Mittelpunkt stellen? Wir brauchen kluge Ideen, subversive Strategien, starke Bündnisse. Daran wollen wir arbeiten, indem wir unsere individuellen Alltagserfahrungen in der Gruppe kritisch reflektieren, unsere Widersprüche konstruktiv wenden und auch an unseren eigenen gelernten Gewissheiten zweifeln. Wir laden euch ein, während dieser Feministischen Herbstakademie mit Brecht zu fragen: Welche Lehrsätze wollen wir aus dem „Merkbuch des Wissens“ streichen? Welche dick unterstreichen und zur Grundlage unseres Handelns machen? Gemeinsam nähern wir uns dem, was er als „schönsten aller Zweifel« bezeichnet, nämlich „wenn die verzagten Geschwächten den Kopf heben und an die Stärke ihrer Unterdrücker nicht mehr glauben!“

Wir beginnen am Freitag nach dem Abendessen, das um 18.00 Uhr stattfindet, und enden am Sonntag um 13 Uhr mit dem gemeinsamen Mittagessen. Hier findest du das detaillierte Programm.

Die Anreise kann ab Freitag Mittag erfolgen. Es besteht die Möglichkeit für die Bahnfahrenden, ab Bielefeld-Sennestadt ein Taxishuttle zu nutzen. Infos dazu erhaltet Ihr noch.

Anschrift

Buntes Haus,
Senner Hellweg 461
33689 Bielefeld
Infos zur Anfahrt findet ihr hier.

Feministische Herbstakademie 2020: Erfahrungen in der Krise

Feministische Herbstakademie für Frauen

Die feministische Herbstakademie findet dieses Jahr vom 9. bis 11. Oktober im ver.di Bildungszentrum Gladenbach (zwischen Marburg und Gießen in Hessen) statt.

Die sogenannte „Corona-Krise“ ist auch eine Krise der Hoffnung. Die Zukunft ist noch nicht geschrieben, der Ausgang ist offen. Die Pandemie funktioniert wie ein Brennglas, unter dem der normale Krisenzustand in aller Schärfe sichtbar wird. Überdeutlich haben sich die Verhältnisse als untauglich, mitunter gar tödlich, erwiesen. „Jetzt die richtigen Lehren ziehen!“, ist zum geflügelten Wort geworden. Die Krise zwingt und ermöglicht uns, Neues zu lernen. Lernen selbst führt Erfahrungen in die Krise, heißt Bilanz ziehen, ein Inventar anlegen und hinterfragen: Was wollen und brauchen wir nicht oder nicht mehr? Was können, wollen und müssen wir aufgeben? Was wollen wir bewahren und mitnehmen, um daraus Zukunft zu bauen? Dabei gehen allerlei Widersprüche auch mitten durch uns hindurch. Welche Blockierungen hindern uns daran, zu lernen? Was hält uns in den Verhältnissen fest? Wie bleiben und werden wir handlungsfähig – was nicht etwa meint, „reibungslos zu funktionieren“?  Und wohin lenken wir unsere Schritte auf schwankendem Boden?

Wir wollen gemeinsam eine Sammlung anlegen der Widersprüche, in der Welt und in uns. Widersprüche sind unsere Hoffnung. Zugleich können sie auch zum Nährboden und zur „Auftreffstruktur“ werden für Rassismus und die Sehnsucht nach allzu einfachen Antworten, wie Verschwörungstheorien sie bieten. Es braucht dialektisches Denken und die Einsicht, dass eine Sache stets auch ihr Gegenteil in sich trägt. Auf der Herbstakademie wollen unsere Erfahrungen zusammenführen mit nützlicher Theorie aus kritischer Psychologie und marxistisch-feministischer Kritik.

Veranstalterinnen: Institut für Kritische Theorie Berlin (feministische Sektion) und Rosa-Luxemburg-Stiftung

Ort:

ver.di-Bildungszentrum Gladenbach
Bildungszentrum in Gladenbach, Hessen
Schloßallee 33, 35075 Gladenbach

Den Hinweis auf die aktuell geltenden Hygienevorschriften : https://biz-gladenbach.verdi.de/unser-service/++co++b603993e-69aa-11ea-bc8b-525400f67940

Aufgrund der begrenzt möglichen Teilnehmerinnenanzahl bitten wir um Anmeldung möglichst bis zum 30. Juli 2020.

Feministische Herbstakademie 2019

Utopien – vom Himmel in die Praxis
Feministische Herbstakademie für Frauen

Ohne Utopien lässt sich zwar Überleben, aber nicht gut leben. Utopien, als Fernziel, geben unserer politischen Praxis Sinn und Richtung. Kaum etwas ist lähmender, als der Glaube, es gäbe keine Alternative zum Bestehenden. Wir brauchen Ideen und Erzählungen vom guten Leben, von dem, was möglich sein und werden kann, um uns und andere für das Verändern zu gewinnen.
Wie aber müssen unsere Utopien gefasst sein, damit sie uns wirklich handlungsfähig machen? Was bedeutet es, wenn wir Menschen, also auch uns, mit Marx als „Ensemble gesellschaftlicher Verhältnisse“ begreifen – mit all unseren Widersprüchen,  widerstreitenden Begehren und bislang  „nützlichen“ Gewohnheiten?  Inwiefern sind wir im Alten immer noch verhaftet?  Welche Erfahrungen und Praxen im Hier und Jetzt sind nützlich auch für künftiges Gemeinwesen? Wie erden wir Utopien in unserem Hier und Jetzt? Wo sind die Verhältnisse bereits in Krise? Welche Widersprüche bringen das scheinbar Festgefügte derzeit in Bewegung? Inwiefern sind Utopien Kritiken am Bestehenden? Was lernen wir aus früheren, vor allem feministischen Utopien – und womöglich auch aus ihrem Scheitern in der Praxis?

Diesen und anderen Fragen wollen wir gemeinsam nachgehen.

Die Feministische Herbstakademie findet vom 25. bis 27. OKtober 2019 in Bielefeld im Bunten Haus statt.
Wir beginnen am Freitag um 16 Uhr und enden am Sonntag um 13 Uhr.

Anschrift

Buntes Haus,
Senner Hellweg 461
33689 Bielefeld
Infos zur Anfahrt findet ihr hier.